Vor über 5 Jahren waren wir auf Hochzeitsreise in Costa Rica und New York und haben diese Reise teilweise dokumentiert (Texte: von meinem Mann, Bilder: von mir).
Posted on 20 December 2009
Zuhause, vor der Abreise nachts kurz nach 1
Nur noch wenige Stunden bis zum Abflug. Die „Koffer“ sind gepackt, die zerbrechlichen Weihnachtspräsente sicher verstaut. An Schlaf ist nicht zu denken. Der iPod muss noch musikalisch aufbereitet werden. Sämtliche spanischsprachigen Titel mit karibischem Einschlag sind schon drauf, genauso wie alle Songs, in denen „New York“ oder wenigstens „New Jersey“ vorkommt. Sogar Hörbücher kommen auf einmal vor. Die Klassiker der Weltliteratur, die nicht mehr ins Handgepäck passten, sind dank Projekt Gutenberg auf das iPhone geladen, wann kommt man schon mal dazu, „Moby Dick“ im Original zu lesen und dafür nicht den halben Bücherschrank mitschleppen zu müssen? Schnell noch „A Christmas Carol“ von Dickens dazugeladen, es muss ja auch ein bisschen in die Saison passen. Dann kann das ja mal losgehen…
Hauptbahnhof, 7:15 Uhr
Gefühlt ist es noch mitten in der Nacht, deshalb gehört dieser Eintrag noch hierher. Zeitverschiebung vor der Abreise ist schließlich ein nicht alltägliches Phänomen. Auch nicht alltäglich: Heutzutage fahren die hiesigen Druffies morgens aus der Provinz in die große Stadt. Ich dachte immer, das würde umgekehrt laufen. Unter unseren Mitfahrern – davon erstaunlich viele mit Schrankkoffern auf Rollen ausgestattet – findet sich jedenfalls auch einer, der „in Zungen spricht“ und offensichtlich von diversen Kreaturen besessen ist. Er verhält sich jedoch weitestgehend harmlos.
Frankfurt Flughafen, 8:00 Uhr
Wir sind soweit. Einchecken, unser lustiges Gepäck aufgeben – wir reisen mit zwei Rucksäcken, einer kleinen Sporttasche gefüllt mit Süßigkeiten und Weihnachtsgeschenken und einem originalverpackten Mixer – und los geht’s. Die Schwebebahn zwischen den Frankfurter Terminals funktioniert einwandfrei, wir fahren sie einmal hin und zurück, weil auf dem ausgedruckten Reiseplan das falsche Abflug-Gate ausgewiesen war. Die Schlange vor dem Continental-Schalter ist dadurch etwas länger als gedacht. So gegen 8:30 Uhr ist unser Gepäck aufgegeben und wir empfangen die frohe Botschaft, dass die Maschine aus Newark bereits mit etwa zweieinhalbstündiger Verspätung eintrifft; unser Abflug wird von 11:05 auf 13:40 Uhr verlegt. Wir bangen um unseren Weiterflug nach San José, denn wir haben in New York Newark nur etwa drei Stunden Zeit, aber wir sind zuversichtlich.
Beim Bummel über den Flughafen bekommen wir auf jede örtlich bezogene Frage nach einem Geschäft, einer Restauration oder einem Abtritt die Antwort „Hinten rechts“. Welcher kluge Kopf auch immer dahinter steckt, er hatte gleichermaßen die Bedürfnisse von Fragendem wie Antwortendem im Blick. Wie dringlich auch immer das Bedürfnis sein mag, es gibt eine kurze, prägnante Anweisung und am Ende des kurzen Weges findet man die Lösung. Solche klugen Köpfe sitzen zu Recht in großen Büros in den oberen Etagen. Oder „Hinten rechts“. Während unseres Rundgangs tragen wir einen Halbliterbecher Buttermilch, der für das Frühstück am Wiesbadener Hauptbahnhof gedacht war, mit uns herum. Der Inhalt wird durch stundenlanges Herumtragen durch ein Flughafenterminal nicht besser.
Frankfurt Flughafen, 15:05 Uhr
Es ist soweit. Vier Stunden nach dem Zeitpunkt des planmäßigen Abflugs sind wir kurz davor, das Flugzeug zu besteigen. Mittlerweile hat es auch in Frankfurt angefangen zu schneien, wir blicken aus der Wartehalle, die uns heute nachmittag zu einem zweiten Wohnzimmer geworden ist, auf eine nahezu geschlossene Schneedecke.
Den Anschlussflug nach San José werden wir vermutlich nicht mehr erreichen, es sei denn, dass auch in Costa Rica ein plötzlicher Wintereinbruch für chaotische Verhältnisse am dortigen Flughafen gesorgt hat und deswegen die Maschine vielleicht auf dem Hinflug nach New York Newark mehrere Stunden Verspätung… Nein, vermutlich nicht.
Frankfurt Flughafen, zwischen 18 und 19 Uhr
Jetzt ist es beinahe soweit. Seit kurz nach 4 sitzen wir im Flugzeug. Mit kurzweiligen Durchsagen à la „It’s half past seven and it has stopped snowing“ versucht das Personal, die Moral in der Truppe hochzuhalten. Wer am Fenster sitzt, dem bietet sich ein wunderbarer Blick auf verschneite und vereiste Flügel.
Der Schuldige ist jedenfalls aus dem Blickwinkel des amerikanischen Piloten ausgemacht: Es liegt am Enteisungsfahrzeug, das einfach nicht beikommt. Das zahlende Publikum beschwert sich abwechselnd über Hitze und Kälte im Passagierraum. Wir sitzen offenbar in einem günstigen Sektor, uns ist obenrum warm und nur etwas fußkalt. Immerhin wurden bereits frühzeitig kleine Salzbrezeln verteilt. Deshalb haben wir jetzt aber Durst und wünschen uns die Buttermilch von heute morgen zurück. Der für uns zuständige Flugbegleiter asiatisch-amerikanischer Abstammung erkundigt sich nach unserer Herkunft und gibt nach dem Hinweis auf unsere Heimatregion ein nahezu akzentfreies „Nur net huddele“ zum Besten und erzielt die beabsichtigte Wirkung – wir sind total entspannt. Für Unterhaltung ist insgesamt gesorgt: In weiser Voraussicht hat das Kabinenpersonal das Entertainment-System gestartet, wir schauen alle in die Röhre und sehen per VHS – nur so ist die Bildqualität zu erklären – auf winzigen Monitoren amerikanische Filme, in denen es um eine Sondereinheit von hochgerüsteten Meerschweinchen geht. Dialektfreunde in unserer Reihe kommen auf ihre Kosten, vorausgesetzt, sie hören den Unterhaltungen von pfälzischen Eltern mit ihren Kindern („Nimm die Fieß runna vum Sitz odda isch komm niwwa!“) und/oder von badischen Halb-New-Yorkerinnen mit ihrem männlichen, allerdings badischen Pendant – in einem himmelschreiend blasierten Tonfall zu ausschließlich nichtssagenden Themen, aber dafür in Denglish – zu. Einziger Lichtblick: Die Stewardess, die zur Übersetzung der eh nicht verständlichen Durchsagen des Kepptns engagiert wurde, ist entweder Dänin oder Hape Kerkeling: „Wegen eine Fehler in die Computersysdeem müssen Sie ihre Flugkarten noch einmal allen zeigen.“ Wir nehmen sie beim Wort und zeigen unsere Boarding Passes allen Mitfliegern, ernten aber verständnislose Blicke.
Luftraum über Frankfurt, 20:00 Uhr
Wir sind gestartet. Jetzt sind wir doch froh, die 400$ pro Nase ausgeschlagen zu haben, die Continental den „volunteers“ anbietet, die aus einer überbuchten Maschine aussteigen und sich freiwillig auf eine Standby-Liste für den nächsten Tag setzen lassen. Das Hotel am Flughafen hätten sie uns auch bezahlt, aber wir wollen unsere Flitterwochen ja nicht im Sheraton Frankfurt, sondern in der weiten Welt beginnen.
Kurz vor Abflug wurden wir auch noch üppig verköstigt. Auf den vielfach aus der Kabine geäußerten Wunsch wurden wir kurz nach sieben informiert, dass nach dem Eintreffen des Enteisungsfahrzeugs der Abflug unmittelbar bevorstünde. Trotzdem wolle man jetzt das Essen servieren. In einer Diktion, die man seit den Tagen der Berliner Luftbrücke nicht mehr in einem amerikanischen Flugzeug gehört hatte, erklärte der Pilot „We’ll get you some food – and right after that we’re out of here.“ Zur Not müsse jeder Passagier sein Tablett vor dem Bauch während der Startphase eben festhalten. So viel amerikanischer Pragmatismus führte zu diversen Beifallsbekundungen im Passagierraum. Die kochendheiß servierte Lasagne war ausgezeichnet. Als das Flugzeug anfing, auf der Startbahn zu beschleunigen, schickte übrigens unser hessischer Freund ein lakonisches „Hooray“ über die Kabinenlautsprecher.