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Letzten Monat habe ich mir so meine Gedanken über den Herbst gemacht (Monatsthema Herbst (farben)- meine Gedanken) und wollte am liebsten Winterschlaf machen. Wenn ich mich an grauen und nassen Tagen im November aus dem Bett und sogar aus dem Haus quäle, kann ich es immer noch nicht verstehen, warum wir keinen Winterschlaf machen. Und dann geht das Gedankenkarussell an … und ich versuche mir vorzustellen wie es wohl sein muss, wenn die eigene Stimmung jeden Monat so wäre, wie bei mir im November an Schlecht-Wetter-Tagen … wenn man die grauen Gedanken nicht mehr aus dem Kopf bekommt … Ich kann es mir tatsächlich nicht mal ansatzweise vorstellen und möchte jede*n fest umarmen, der/dem es so geht, auch wenn ich vermute, dass das nicht viel hilft. 

Und da ich das nicht mal ansatzweise nachvollziehen kann, habe ich zwei liebe Menschen gefragt, ob sie mir ein paar Fragen zum Thema „kreativ + depressiv“ beantworten wollen. Und ich freue mich sehr, dass @depridisco und @perlokraphy/@mrs.photokraphy mir und euch meine Fragen beantwortet haben.

(Wie) passen Kreativität und Depression zusammen?

Antwort von @depridisco:
Dazu fallen mir zwei Punkte ein:
Die Depression ist zunächst einmal eine Krankheit, die mich zwingt, mich selbst, meine Beziehungen, Gedanken, Gefühle, Glaubenssätze und eingefahrene Muster regelmäßig zu hinterfragen. Ich bin es also gewohnt, immer mal wieder einen Schritt Abstand von mir selbst zu nehmen und das große Ganze zu betrachten. Meine Synapsen sind es gewohnt, um die Ecke zu denken und andere Perspektiven einzunehmen. Ich denke, das hilft mir sehr, kreative und außergewöhnliche Wege einzuschlagen. In meinen vielen Therapien, die ich hinter mir habe, habe ich gelernt über Gefühle zu sprechen und komplexe, ungreifbare Sachverhalte für mich selbst verständlich zu formulieren, um meine psychologischen inneren Prozesse zu begreifen. Meine Depression hat mich also zu einem sehr feinfühligen, empathischen und halbwegs reflektierten Menschen gemacht, wodurch ich vieles zwischen den Zeilen lesen und auch benennen kann. Ähnlich gehe ich dann auch mit meiner Außenwelt um, ich beobachte, analysiere, reflektiere und kann gar nicht anders, als die Dinge von allen Seiten zu betrachten und Zusammenhänge herzustellen, die „Unkreative“ vielleicht nicht direkt sehen würden – auch wenn ich glaube, dass jeder auf seine Art kreativ ist.

Interview zum Thema "kreativ + depressiv" - Increase Creativity - © depridisco Instagram Bild Füße hinter einem Vorhang mit Lettering "Ich, wenn es an der Tür klingelt"
Interview zum Thema „kreativ + depressiv“ – Increase Creativity – © depridisco (Link geht zum Beitrag auf Instagram)

Antwort von @perlokraphy/@mrs.photokraphy:
Für mich sind das zwei Seiten der Medaille. Dadurch, dass ich meine Umgebung sehr aufmerksam wahrnehme und quasi überall Inspirationen sehe, führt das im günstigen Fall zu einer unerschöpflichen Kreativität, im schlechten Fall aber einfach nur zu einer Überforderung und anschließend zu Depressionen.

Hilft oder stört Depression bei der Kreativität?

Antwort von @depridisco:
Diese Huhn-oder-Ei-Frage kann ich leider nicht eindeutig beantworten. Es kommt ein bisschen auf die Konstellation an. Grundsätzlich würde ich meine Depression als Kreativskill ansehen, aber man darf nicht vergessen, dass es eine schlimme Krankheit ist, die mich regelmäßig richtig böse lahmlegt und mir jegliche Lebensfreude raubt. Und das, obwohl ich so ein lustiger und abenteuerdurstiger Mensch bin. Ich weiß, wie man im innen und außen ordnen kann, aber manchmal überschattet die Depression selbst meine Lust am Kreativsein und spätestens dann ist sie mir gar keine Hilfe mehr. 

Interview zum Thema "kreativ + depressiv" - Increase Creativity © mrs.photokraphy Instagram Bild in schwarz weiß: Hände halten rote Glaskugel in Herzform
Interview zum Thema „kreativ + depressiv“ – Increase Creativity © mrs.photokraphy (Link geht zum Beitrag auf Instagram)

Antwort von @perlokraphy/@mrs.photokraphy:
Mir hat sie definitiv geholfen. In ganz schlimmen Zeiten, konnte ich kreativ sein und so etwas produzieren, obwohl es mir schlecht ging. Außerdem habe ich mich mit meinen kreativen Werken selbstständig gemacht und mir so die Möglichkeit gegeben – in meinem Tempo – am Berufsleben teilzuhaben. Und zuletzt gibt mir der Austausch über kreative Themen, Möglichkeiten mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und einfach mal aus dem Alltag auszubrechen.

Was würdest Du Dir wünschen, wie Menschen mit Dir umgehen/ Dir begegnen?

Antwort von @depridisco:
Ich versuche selbst, sehr offen mit meiner Erkrankung umzugehen, biete jedem, der es nicht hören will an, mich mit Fragen zu löchern, wenn irgendetwas unklar ist. Mein Wunsch ist, dass Menschen sich öffnen, auch für die Dinge, die sie sich als mental Gesunde nicht vorstellen können. Ich bin für jede Person froh, die nicht nachempfinden kann, wie es ist, depressiv zu sein. Aber es ist tatsächlich so, dass wir krank sind. Wenn wir zu hause bleiben und nicht rauskommen, wenn wir nicht ans Telefon gehen können, wenn wir zum hundertsten mal sagen, dass wir keine Hoffnung mehr spüren und dass das alles keinen Sinn hat. Wir empfinden das wirklich und nicht umsonst ist die Suizidrate aufgrund von psychischen Erkrankungen leider viel zu hoch. Kurz: seid offen, verständnisvoll und fragt im Zweifelsfall lieber zweimal, wie es einer Person wirklich geht.

Interview zum Thema "kreativ + depressiv" - Increase Creativity © depridisco Instagram Bild mit Lettering "Die Depression ist eine richtig schwere Erkrankung die im schlimmsten Fall tödlich endet."
Interview zum Thema „kreativ + depressiv“ – Increase Creativity © depridisco (Link geht zum Beitrag auf Instagram)

Antwort von @perlokraphy/@mrs.photokraphy:
Ganz normal. Natürlich ist das Leben mit Depressionen nicht immer einfach und es beherrscht den Alltag sehr, doch ich finde es falsch Menschen deswegen anders zu behandeln. Mir ist viel wichtiger, dass man mich fragt, wie es mir geht (wenn es Dich interessiert) und wenn es mir schlecht geht, dann ist das nun mal so. Ganz besonders schlimm finde ich in diesem Zusammenhang Menschen, die dann für Dich entscheiden, was Du tun sollst, damit es Dir besser geht. Und dabei völlig überhören, was Dir wirklich guttun würde oder es schlicht und einfach ignorieren was Du sagts, weil sie denken sie wüssten es besser. Schließlich sind sie gesund und Du bist krank.

Vielen Dank euch beiden für die Antworten zu meinen Fragen zum Thema „kreativ + depressiv„.
Ich weiß jetzt gar nicht so genau, was ich noch sagen/schreiben soll. So vieles geht mir durch den Kopf. Fragen wie:
Warum wird Depression nicht einfach als Krankheit akzeptiert? So wie Krebs?
Warum gibt es diese Hemmschwelle darüber zu reden?
Warum ist darüber so wenig bekannt?
Warum gibt es so wenig Hilfe?

Ich könnte noch ewig hier meine Fragen drunter schreiben …
Vielleicht lasse ich euch noch ein paar Links da, die ich gefunden habe, um mich auf das Thema ein wenig vorzubereiten/einzulesen. Am interessantesten fand ich folgende Artikel:
Kreativ und krank im Kopf erschienen 2013 auf dasgehirn.info
Nachdenken macht kreativ, Grübeln depressiv erschienen 2014 auf wirtschaftspsychologie-aktuell.de
10 Fragen an eine depressive Person, die du dich niemals trauen würdest zu stellen erschienen 2018 auf vice.com

Im VICE Artikel endet das Interview mit einem Hinweis auf Notfallnummern. Das möchte ich hier auch machen und auf die Seite Wo finde ich Hilfe? der Stiftung Deutsche Depressionshilfe hinweisen.

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