Bücher und Feminismus – eine Verbindung, die oft unterschätzt wird. Doch auf TikTok entfaltet sich seit einigen Jahren mit BookTok eine Bewegung, die nicht nur Leser*innen vernetzt, sondern auch die Literaturlandschaft feministisch neu definiert. Liebesromane, lange als „Schundliteratur“ abgetan, stehen plötzlich im Fokus und zeigen: Frauen schreiben, lesen und feiern ihre eigenen Geschichten – und das ist kein Zufall, sondern gelebter Feminismus.
BookTok – Von der Schmuddelecke zur literarischen Machtbewegung
Liebesromane hatten historisch ein Imageproblem. Sie galten als trivial, kitschig und vor allem: nicht ernst zu nehmen. Doch warum? Ein Blick in die Literaturgeschichte zeigt, dass alles, was vor allem von und für Frauen geschaffen wird, systematisch abgewertet wird. Krimis sind spannend, Sci-Fi innovativ – aber Liebesromane? Die wurden oft als belanglos abgestempelt.
BookTok hat diese Dynamik auf den Kopf gestellt. Plötzlich wurden unbekannte Autorinnen zu Bestsellerinnen – nicht wegen großer Verlagshypes, sondern weil Leserinnen ihre Bücher mit Leidenschaft empfohlen haben. Diese neue Sichtbarkeit ist mehr als ein Trend: Sie ist ein Zeichen dafür, dass Frauen sich ihre eigenen Geschichten zurückholen und damit ihre eigene Deutungshoheit über die Literatur erlangen.
Liebe, Sex und Selbstbestimmung: Die neue Ära der Liebesromane
Die BookTok-Liebesromane haben wenig mit den klischeehaften „Mann rettet Frau und sie leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage“-Storys von früher zu tun. Stattdessen stehen selbstbestimmte Frauen im Mittelpunkt – mit eigenen Karrieren, eigenen Wünschen und eigener Sexualität. Sie kämpfen selber gegen die Drachen, sind CEOs ihrer eigenen Firma, sind finanziell unabhängig. Diese Romane zeigen: Frauen dürfen alles sein.
Warum das revolutionär ist?
- Karrierefrauen, die sich nicht zwischen Job und Liebe entscheiden müssen.
- Frauen, die ihre Lust selbstbewusst ausleben, ohne dafür bestraft zu werden.
- Heldinnen, die Fehler machen, wachsen und sich selbst retten.
Kurz gesagt: Diese Bücher geben Frauen Raum, ohne sich für ihre Wünsche zu entschuldigen. Sie entlarven toxische Beziehungsmuster und bieten stattdessen Liebesgeschichten, in denen Respekt, Kommunikation und Gleichberechtigung im Vordergrund stehen. Natürlich gibt es auch Ausnahmen mit toxischen Beziehungen und Macht-Missbrauch, aber diese Bücher sind eher die Ausnahme und nicht mehr die Regel.
Die Macht der Community: Wie BookTok Feminismus vorantreibt
BookTok ist mehr als eine Buch-Community – es ist ein Safe Space, in dem u.a. Frauen über Themen sprechen, die oft totgeschwiegen werden. Hier geht es nicht nur um die Bücher selbst, sondern auch um Repräsentation, Diversität und gesellschaftliche Debatten.
Was das mit Feminismus zu tun hat?
- Sichtbarkeit für Autorinnen: Autorinnen bekommen durch BookTok eine Bühne, die ihnen die klassische Literaturkritik oft verwehrt.
- Diversität im Fokus: BookTok feiert Bücher mit starken Frauenfiguren und diversen Menschen – egal ob queer, neurodivergent oder nicht-weiß.
- Offene Gespräche über Sexualität: Während in vielen Medien weibliche Lust immer noch ein Tabuthema ist, sind explizite, selbstbewusste Sexszenen in diesen Romanen völlig normal.
- Empowerment durch Leseempfehlungen: Frauen empfehlen sich gegenseitig Geschichten, die sie inspirieren, stärken und ihnen das Gefühl geben: Du bist nicht allein.

Warum Männer das Problem sind, nicht die Bookboyfriends
Liebesromane sind gefährlich – zumindest, wenn man einigen Männern aus dem Patriarchat glaubt. Seit BookTok immer mehr Mainstream wird, tauchen immer wieder dieselben Beschwerden auf:
- „Diese Bookboyfriends setzen unrealistische Maßstäbe!“
- „Frauen erwarten jetzt perfekte Männer, die es nicht gibt!“
- „Das verzerrt die Realität und macht Beziehungen kaputt!“
Kurz gesagt: Männer haben ein Problem mit diesen Büchern – weil Frauen plötzlich realisieren, was sie verdient haben.
Sind Bookboyfriends wirklich unrealistisch – oder einfach nur das “bare minimum”?
Die zentrale Kritik an Bookboyfriends ist, dass sie angeblich völlig überzogen sind. Zu perfekt. Zu aufmerksam. Zu fürsorglich. Aber wenn wir uns anschauen, was diese Figuren wirklich auszeichnet, wird klar:
Es geht nicht um Sixpacks, Reichtum oder Macht – sondern um Respekt, Loyalität und emotionale Verfügbarkeit.
Was macht einen typischen Bookboyfriend aus?
- Er hört zu. Wirklich. Frauen in diesen Büchern werden verstanden, gesehen und ernst genommen.
- Er unterstützt die Träume der Frau. Er sabotiert sie nicht, macht sie nicht klein, sondern ermutigt sie.
- Er kommuniziert. Missverständnisse werden nicht ausgesessen, sondern gelöst.
- Er ist emotional zugänglich. Er zeigt Gefühle, reflektiert sein Verhalten, entschuldigt sich, wenn er Mist baut.
- Er respektiert Grenzen. Kein toxisches Spiel, kein Gaslighting, kein „Männer sind halt so“.
Das sind keine überzogenen Erwartungen – das ist das absolute Minimum für eine gesunde Beziehung.

Warum das Patriarchat vor Bookboyfriends Angst hat
Lange Zeit wurde Frauen eingeredet, dass sie sich mit weniger zufriedengeben müssen. Dass Männer halt nicht emotional sind. Dass man sie nicht ändern kann. “Boys will be boys!” Dass eine Beziehung harte Arbeit ist – und damit ist meistens gemeint, dass die Frau die ganze emotionale Last trägt.
Doch jetzt lesen Millionen von Frauen Geschichten, in denen Männer nicht emotional unterentwickelte Steinzeitwesen sind. Sie sehen, dass es anders geht. Dass sie nicht die Therapeutinnen, Mütter oder Sekretärinnen ihrer Partner sein müssen. Und sie fangen an, zu verlangen, was sie verdienen:
Einen Partner, der sie respektiert und liebt – und das auch zeigt.
Das ist die wahre Bedrohung für das Patriarchat.
Nicht unrealistische Erwartungen, sondern die Erkenntnis: Ich muss mich nicht mit weniger zufriedengeben.
Es geht nicht ums Aussehen – sondern um Aufmerksamkeit
Ein weiteres Patriarchats-Märchen: Frauen würden nur auf Status, Geld oder gutes Aussehen stehen. Und doch lieben sie in diesen Romanen nicht den reichen CEO oder den durchtrainierten Athleten wegen ihres Geldes oder Körpers – sondern wegen ihrer Art, mit Frauen umzugehen. Männer werden hier von Frauen für Frauen geschrieben und deshalb gehören Feminismus und BookTok zusammen.
Bookboyfriends haben oft genau das, was viele Männer für unwichtig halten:
Aufmerksamkeit, Einfühlungsvermögen, Respekt.
Frauen sehnen sich nicht nach Sixpacks, sondern nach einem Partner, der merkt, wenn es ihnen schlecht geht. Der sie morgens fragt, ob sie gut geschlafen haben. Der sich merkt, wie sie ihren Kaffee mögen. Ihnen nicht unpersönliche Geschenke machen sondern mit dem Lieblings-Snack oder eben dem nächsten Band ihrer Lieblings-Buchreihe eine Freude machen.
Aber das bedeutet Arbeit. Emotionale Arbeit. Und das ist genau das, was viele Männer nie gelernt haben, weil sie es nie mussten. Stattdessen ist es einfacher, Frauen einzureden, dass sie „zu hohe Erwartungen“ haben.
BookTok dreht den Spieß um.
Fazit: Frauen verlangen nicht zu viel – sie akzeptieren nur nicht mehr zu wenig
Liebesromane und BookTok haben eine riesige Veränderung bewirkt: Frauen nehmen ihre eigenen Wünsche ernst. Sie erkennen, dass sie eine Beziehung auf Augenhöhe verdienen – keine emotionale Einbahnstraße.
Das Patriarchat kämpft nicht gegen unrealistische Standards, sondern gegen Frauen, die ihre Macht zurückholen.
Und das, ist verdammt feministisch.
Genre und Begriffe rund um BookTok
Und wenn du jetzt einen Liebes-Roman lesen möchtest, hier noch ein paar Begriffe, die dir weiterhelfen können:
spice, spicy: Damit ist der Erotik-Anteil eines Buches gemeint – reicht von „zart gewürzt“ bis „Feueralarm“. Wird gerne mit Chili-Schoten bewertet.
Open Door / Closed Door: Beschreibt, ob explizite Szenen offen (detailliert beschrieben) oder geschlossen (nur angedeutet) sind.
Triggerwarnung: Hinweise auf sensible Themen wie Missbrauch, Gewalt oder psychische Gesundheit, um Leser*innen vorzubereiten.
Genre für Lieberomane
Young Adult (YA) – Romane für und über Teenager (meist 14-18 Jahre), oft über Pubertät, Erwachsen werden, erster Liebe und Identitätsfindung.
New Adult (NA): Geschichten über junge Erwachsene (18–25 Jahre), oft mit Erwachsen werden und Selbstfindung.
Romance: Liebesgeschichten mit Herzklopfen, dramatischen Verwicklungen und Happy Ends (HEA – Happily ever after, HFN – Happy for now) (meistens).
RomCom: romantic comedy – Liebesroman und Komödie
Fantasy: Von komplexen Welten bis zu Urban Fantasy mit übernatürlichen Wesen mitten unter uns. Fiktive Realitäten und jede Menge magische Welten.
Romantasy: Die perfekte Mischung aus Romance und Fantasy – epische Liebesgeschichten mit Magie, Feen und verfluchten Prinzen. Mit Beziehungen zwischen Menschen und übernatürlichen Wesen
Dark Romance: Liebesgeschichten mit düsteren, oft moralisch fragwürdigen Protagonisten und toxischen Beziehungen – nichts für schwache Nerven. Achtet auf die Trigger-Warnung.
P.S. Wenn du dich für Feminismus interessierst, lies gerne meine Beitrag über Mikro-Feminismus.